Bisous XX

16.06.22 – 16.07.22

Kallirroi Ioannidou, Lexia Hachtmann, Oscar Veyrunes, Solveig Schmid

Bisous XX kann die Signatur unter einer kurzen Notiz sein – oder der Gruß am Ende einer oberflächlichen Textnachricht: Man sieht sich, Küsschen links, Küsschen rechts. Oder impliziert die flüchtige Abschiedsformel vielleicht doch mehr Intimität, als es zunächst scheint?

Lexia Hachtmann, Kallirroi Ioannidou, Solveig Schmid und Oscar Veyrunes beschäftigen sich im Rahmen von Bisous XX mit Nähe und Zärtlichkeit im weitesten Sinne: Mal offen und plakativ, mal subtil und unterschwellig.

Titelgebend ist Oscar Veyrunes‘ Installation „Bisous XX“, für die der Künstler Alltagsgegenstände kombiniert, denen Erinnerungen, Hoffnungen oder Wünsche innewohnen. So entsteht ein abstraktes Narrativ: Die Objekte, die Veyrunes in Berlin, Paris, Marseille und Bruchköbel gefunden hat, bringen ihre persönlichen und allgemeinen Geschichten mit sich und ermöglichen eine spielerische Annäherung an Themen wie Konflikt, Bindung, Identität oder Leidenschaft. Etwa dann, wenn nach und nach Rost an einer Metallkette emporsteigt, als wandere er sehnsüchtig seinem Ziel entgegen. Aber was verspricht der Schlüssel, der zwischen den beiden Polen, dem Vorher und dem Nachher, eingefräst ist?

Solveig Schmids Gemälde „more than liquid“ zeigt die Vereinigung zweier Seiten, die miteinander zu verschmelzen scheinen. Wie bei einem ersten Kuss geschieht dabei weit mehr als nur der Austausch von Flüssigkeiten. Gedanken und Sinneseindrücke lassen die Grenzen von Innen und Außen verschwimmen. Aber auch das Material der Leinwand bietet mit seiner natürlichen Farbigkeit eine Fläche, die die Ausdehnung von Ölfarbe und Gegenstand bewirkt. Das intensive Blau wirkt stark vergrößert, wie die Nahaufnahme einer chemischen Reaktion. Vielleicht ist es die Veränderung von Aggregatzuständen oder Materie, die man hier beobachten kann. Oder sogar noch mehr – die Erweiterung der Idee eines reduzierten Farbspektrums.

Kallirroi Ioannidou evoziert mit ihrem Gemälde „Thinker“ und der Skulptur „Interaction“ zwei vermeintliche Gegensätze, die seit jeher bestehen: Kopf gegen Herz, Denken versus Handeln. Trotz ihrer Polarität beziehen sich beide Arbeiten deutlich aufeinander: Die gemalte Figur, die isoliert mit sich alleine zu sein scheint, verschmilzt als Skulptur mit einem anderen Körper. Fast so, als würde die Keramik das fortführen, was die Malerei nur andeutet. Das ist besonders in Zusammenhang mit Ioannidous Praxis bemerkenswert: Die Künstlerin arbeitet skulptural, malerisch und zeichnerisch – wobei diese Phasen aufeinander aufbauen und sich gegenseitig bedingen.

Die vier quadratischen Arbeiten von Lexia Hachtmann sind Teil der Serie „Big fantasies on small canvases“. Die Künstlerin stellt Fantasien dar, die durch das kleine Format leicht verborgen werden könnten. Die Motive sind häufig intim, zeigen Berührungspunkte und Beziehungsmomente. Mal im Tanz oder in der Umarmung, mal auf Abstand oder durch Handschuhe geschützt. Ganz unmittelbar zeigt sich hier die Wechselwirkung von Nähebedürfnis und der damit verbundenen Verletzbarkeit. Hachtmanns Arbeiten erinnern an die Tradition der Boudoirmalerei, in der erotische Miniaturen für private Räume angefertigt wurden. Eine Form von Nähe entsteht aber auch dann, wenn man eng an die Arbeiten herantritt um sie genau zu betrachten.

Nach über zwei Jahren Abstand und Zurückhaltung darf nun umarmt oder geknutscht werden. Wer heute noch küsst oder ans Küssen denkt, sei aber vorgewarnt: Aus einem flüchtigen Kontakt können große Gefühle entstehen. So sang auch schon Sophia Loren 1960: „Zou Bisous Bisous, Zou Bisous, Zou Bisous, means that I love you“

In diesem Sinne: Bisous, wir sehen uns, bis bald. (Text: Julia Meyer-Brehm)

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